Forschungsschwerpunkt: Ressourcenoptimierte Kunststoffhohlkörper

05.05.2022 – Eine Reduktion des Energie- und Materialeinsatzes bei der Produktion von Kunststoffartikeln ist ein wertvoller Beitrag zur Nachhaltigkeit.

CAE-Workflow für das Extrusionsblasformen (Bildquelle: Dr. Reinold Hagen Stiftung)

Das Extrusionsblasformen ist ein sehr wirtschaftliches und umsatzstarkes Herstellungsverfahren für technische Teile und robuste Kunststoffverpackungen wie Flaschen, Kanister und Fässer. Bei diesem Verfahren wird ein schlauchförmiger Schmelzestrang, genannt Vorformling, extrudiert und anschließend mit Druckluft in eine Hohlform hinein aufgeblasen.
Kunststoffverpackungen erfüllen in der modernen Gesellschaft für Konsumenten und Industrie wichtige Funktionen und sind im Alltag unverzichtbar: In großen Stückzahlen leicht und kostengünstig herstellbar, vereinfachen sie z. B. deutlich die Handhabung bei Transport und Lagerung.
Gleichzeitig werden Verbrauch und Verwendung von Kunststoffen wegen der verursachten Umweltbelastungen zunehmend öffentlich kritisiert, zum Beispiel in Bezug auf Schwächen bei Recycling- und Entsorgungskonzepten. Die von der EU-Kommission 2018 vorgelegte Kunststoffstrategie sieht ein stärker kreislauforientiertes Wirtschaftssystem vor, das verstärkt auf Wiederverwertung, Reparatur und Recycling setzt. Ein damit verbundenes wichtiges Handlungsfeld ist die Reduktion des Kunststoffeinsatzes durch gewichts- und recycling-optimiertes Produktdesign sowie optimierte Produktionsprozesse.

Die Forschungsaktivitäten der Dr. Reinold Hagen Stiftung zielen schon seit vielen Jahren darauf ab, Verfahren zur Minimierung des Energie- und Materialeinsatzes bei dünnwandigen Kunststoffverpackungen zu entwickeln. Hierdurch ist eine nennenswerte CO2-Reduktion zu erwarten, was zur Erreichung der EU-Klimaziele beiträgt.

Ein Lösungsweg liegt in der Weiterentwicklung der CAE-Entwicklungskette für dünnwandige Kunststoffteile. Ziel eines laufenden Forschungsverbundprojektes ist beispielsweise eine gegenüber dem Stand der Technik deutlich verbesserte simulationsbasierte Vorhersage von Schwindung und Verzug. Die Verwendung der verformten Geometrie in Verbindung mit verbesserten Materialbeschreibungen steigert die Vorhersagegenauigkeit der Folgesimulationen und bildet die Basis für eine ressourcenoptimierte Auslegung, Energieeinsparung im Produktionsprozess und niedrigeren Entwicklungskosten. Im gleichen Projekt wird die experimentelle Bestimmung notwendiger Materialkennwerte durch Molekulardynamische Simulationen (MD) ergänzt, was deren Ermittlung in experimentell kaum zugänglichen Anwendungsbedingungen ermöglicht. Ein wesentlicher Forschungsansatz ist hierbei die Kopplung von MD und FEM Simulation zu einer neuen geschlossenen Simulationskette. Dies ermöglicht, die Potentiale beider Simulationsverfahren besser auszuschöpfen.

Ein zweiter Lösungsweg zur Minimierung des Energie- und Materialeinsatzes in der Produktion kann die Anwendung von KI-Methoden zur automatischen Prozessüberwachung und -steuerung sein.
Ziel dabei ist, Fehler im Herstellungsprozess von Kunststoffhohlkörpern automatisiert zu identifizieren, Lösungen vorzuschlagen bzw. Prozessparameter automatisch zu korrigieren.

Bereits heute verfügen moderne Blasformanlagen über integrierte Sensorsysteme (beispielsweise Temperatur- und Drucksensoren), werden aber aktuell nur zur Prozessüberwachung oder zu Dokumentationszwecken genutzt. Automatische Korrekturen, z.B. eine Anpassung der Materialtemperatur erfolgt nur in Ausnahmefällen in einfachen regelbasierten Systemen. Die genauen Zusammenhänge zwischen bestimmten Produktionsparametern (Sensordaten) und daraus resultierenden Qualitätsmerkmalen von Blasformteilen sind noch weitgehend unbekannt oder können nicht vollständig beschrieben werden. Das menschliche Experten- und Erfahrungswissen lässt sich häufig kaum regelbasiert festhalten und damit nicht automatisiert nutzen. Es ist daher heute in den meisten Fällen nicht möglich, auftretenden Problemen in den frühen Phasen des Produktionsprozesses automatisch entgegenzuwirken.
In einem geplanten Forschungsvorhaben mit Industriepartnern soll eine erste adaptive Steuerung für Extrusionsblasform-Maschinen auf Basis von maschinellem Lernen entwickelt werden, die eine ressourcenoptimierte Produktion ermöglicht.